Woyzeck-Blog

Woyzeck: Motive, Konstellation, Dramaturgie

Georg Büchners Woyzeck-Fragment (1837) zählt nicht nur als Büchners wichtigstes Werk, sondern als eines der wichtigsten der deutschsprachigen Literatur überhaupt. 

Unter anderem deswegen, weil es als seiner Zeit weit voraus, als richtungsweisend für die Moderne angesehen wird. 

Tatsächlich war es auch in gewisser Weise modern, aber nicht so, wie die übliche, auch akademische Woyzeck-Rezeption das meint. Zu den einzelnen Aspekten gibt es in diesem Blog entsprechende Unterseiten, mit der Möglichkeit zu kommentieren oder Fragen zu stellen. 

Die Schüler und Studenten zu Büchners Zeit hatten eine exzellente humanistische Bildung, sie waren in der antiken Literatur und Rhetorik bewandert, kannten die damals modernen 'Klassiker': Shakespeares >Hamlet< war sozusagen ihr Pop-Star, desgleichen waren sie mit Goethe, den >Erlkönig<, Werther und Faust I vertraut. Man wusste, wie eine Allegorie funktioniert und sang entsprechende allegorische Lieder mit Texten, die insbesondere, wenn sie einen sexuellen Inhalt hatten (Jägerlieder), eine verdeckte aber gleichwohl allgemein bekannte Bedeutung hatten. Einige davon tauchen auch im >Woyzeck< auf. 

Vielleicht der größte Irrtum der gängigen Woyzeck-Interpretation besteht darin, Woyzecks innere Stimme, den Mordauftrag, nicht als Kern der Tragödie anzusehen, sondern als gleichsam desorientierte Reaktion eines (Mobbing)Opfers der Nebenfiguren Hauptmann und Doktor. Aber im ersten Handschriftenentwurf, in dem die Stimme aus dem Boden bereits ruft und die Mordhandlung auch tatsächlich auf der Bühne zu sehen ist, gibt es diese Nebenfiguren noch nicht, stattdessen heißt die männliche Hauptfigur 'Louis', und zwar nur 'Louis', ohne Familienname, während das weibliche Opfer hier noch Margreth (FAUST !) genannt wird und die innnere Stimme sie ('Woyzecke' ruft). Diese Stimme und die Mordhandlung sind daher als intrinsisch verknüpft anzusehen, was die Woyzeck-Rezeption bislang nicht akzeptiert. Aber die Woyzeck-Analyse und -Interpretation hat hier anzusetzen. mehr dazu in den Unterkapiteln dieses Blogs.

Eine eingehende Erklärung aller Details der Woyzeck-Handschriftenentwürfe findet man in meinem Buch Georg Büchner: Dichter, Spötter Rätselsteller. Entschlüsselungen, erschienen 2012 im Wiener Passagen Verlag. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0