Die Stimme aus dem Boden

Die Stimme aus dem Boden erfolgt in zwei der vier Handschriftenentwürfe, im ersten und im letzten, der sogenannten Hauptfassung. Ursprünglich fordert sie den Protagonisten Louis dazu auf, die "Woyzecke" totzustechen, in der Hauptfassung wird aus 'Louis' Franz Woyzeck, der die "Zickwolfin" erstechen soll. Diese Stimme offenbart nicht nur eine Art Besessenheit mit einem  Handlungsauftrag, also 'Wahnsinn', sondern enthüllt auch - als einzige Instanz -  den Familiennamen des weiblichen Opfers bzw. dessen emotionale Verzerrung. Eine Passage im ersten Handschriftenentwurf, Louis entdeckt ein Messer in einer Höhle, steckt der Protagonist das Messer wieder zurück mit der Bemerkung: "Du sollst nicht töten". Damit unterscheidet Georg Büchner eine durchaus intakte konventionelle Moralität des Besessenen von seiner inneren Stimme, die aus einem tieferen (oder höheren) Grund fordert, gegen dieses Moralgesetz zu verstoßen. Der gängige Interpretationsansatz des >Woyzeck< als Sozialdrama ignoriert diese Zusammenhänge und entwertet damit die besagten Szenen, was zwangsläufig zu einer verfehlten Interpretation führen muss. Büchners Text macht ganz deutlich, dass Woyzeck bzw. Louis sehr genau hinhört und sich vergewissert, ob er sich nicht etwa verhört hat, d.h. er zeigt die Fähigkeit zum Zweifel und erst nachdem er sich vergewissert, dass er sich nicht geirrt hat, nimmt er diesen Auftrag an. Gleichwohl ist dabei Wahnsinn mit im Spiel, denn der Kurzschluss aus Begehren und Befreiung ist tragisch und schicksalbehaftet.

 

 

 

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